Jobst von Harsdorf (1924–2018) war vieles zugleich: Künstler, Lehrer und Mentor, Lithograf, Zeichner und Maler, Gebrauchsgrafiker und Professor für angewandte Grafik an der Hochschule für Künste in Bremen. Eine bemerkenswerte Leichtigkeit wohnt seinen Arbeiten inne, die er mit dem Lithografie-Stein, dem wohl schwersten künstlerischen Material, schuf. Aber nicht nur die bildende Kunst war ihm nah, sondern auch Musik und Literatur, Natur, Architektur und Reisen boten ihm bis ins hohe Alter unablässig Anregungen zu seinem vielfältigen und facettenreichen Werk.
In diesem Jahr wäre Jobst von Harsdorf 100 Jahre alt geworden. Das Overbeck-Museum ehrt den Künstler mit einer Ausstellung, die zahlreiche Arbeiten aus unterschiedlichen Schaffensperioden vereint und auf diese Weise sichtbar macht, wie sein künstlerisches Schaffen bis heute nachklingt.
Martin Reichmann. Hyper!ons Epiphysis
Massive Skulpturen, schuttartiger Relikte – die Werke von Martin Reichmann haben einen brachialen Charakter. Sein bevorzugtes Material ist Beton. Ein Werkstoff, den er in grobschlächtige Skulpturen verwandelt, darunter Abgüsse von Lautsprechern und Pferdeköpfen, die nicht selten zentraler Bestandteil von Rauminszenierungen oder Performances werden. Trash und Antike, Pop- und Erinnerungskultur, verschiedenste Ansätze begegnen und verbinden sich hier mit spielerischer Wucht.
Für seine erste institutionelle Einzelausstellung bringt Martin Reichmann neue Werke zusammen. Ungeschliffene Skulpturen aus Beton, welche sich auf Kulturgüter aus verschiedenen Zeiten und Epochen beziehen. Gebrochene Säulen, die nichts mehr tragen. Daneben abgeformte Objekte zwischen banalem Fundstück, Antiken-Kitsch und selbstbewusst künstlerischem Entwurf. Oder mit den Worten Reichmanns gesprochen: „ruinierte Relikte, lackierte Geschichte, kalzifizierte Gehirne.“
Verfall und Zerstörung begreift Reichmann nicht als Niedergang, sondern als dynamischen Prozess, der beides erlaubt, Vor- und Rückschau gleichermaßen. Seine Skulpturen sind so betrachtet Boten für einen noch zu gestaltenden Transformationsprozess. Denn in den „Trümmern von Heute“ stehend stellt sich die Frage: Quo vadis? Wohin mit dieser Gesellschaft?
Ergänzt wird die Ausstellung durch Videoarbeiten. Darüber hinaus entsteht eine Künstlerzeitung als kostenlose Edition zum Mitnehmen.
Martin Reichmann (*1989) lebt und arbeitet in Bremen. Er studierte an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel und der Hochschule für Künste Bremen, wo er 2022 seinen Abschluss als Meisterschüler bei Ingo Vetter absolvierte. 2022 wurde Reichmann der Karin Hollweg Preis verliehen, einer der höchstdotierten Förderpreise aller Kunsthochschulen in Deutschland.
Eröffnung: 20. Juni 2024, 19 Uhr
20. Juni 2024, 18 bis 20 Uhr DJ-Sets in der Ausstellung im Rahmen von THREE`S A PARTY.
Eintritt frei
Ausstellung im Projektraum
Kuratiert von Ingo Clauß
Points of View
Kirchner Holzschnitte. Benjamin Badock, Gabriela Jolowicz und Thomas Kilpper
Im Gegensatz zur digitalen Bilderflut zeigt das alte Medium Holzschnitt Rückgrat: Holzschnitt ist kraftvoll, klar und direkt. Jeder Schnitt ist eine Entscheidung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts feierten ihn die Expressionisten als experimentelles Ausdrucksmittel. Vor allem Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), der Mitbegründer der Künstlergemeinschaft Die Brücke, sah seine Druckgrafik der Malerei ebenbürtig. Im Holzschnitt kommen viele seiner Handabzüge Unikaten gleich. Die Ausstellung „Kirchner Holzschnitte“ in der Kunsthalle Bremen zeigt rund 180 hochkarätige Holzschnittwerke von Ernst Ludwig Kirchner und bietet einen tiefen Einblick in sämtliche Schaffensphasen. Gleichzeitig treten seine Werke in einen spannenden Dialog mit Holzschnitten der zeitgenössischen Künstler*innen Benjamin Badock (*1974), Gabriela Jolowicz (*1978) und Thomas Kilpper (*1956).
Außerdem lädt der Mitmachraum Schnittstelle in der Ausstellung ein zum Zeichnen, Drucken, Stempeln und Lesen. Außerdem können Besucher*innen alle zwei Wochen Studierenden beim Holzschneiden über die Schulter schauen und selbst den Holzschnitt ausprobieren.
Yael Bartana. Utopia Now!
Yael Bartana (*1970 in Israel, lebt in Amsterdam und Berlin) gilt als eine der wichtigsten internationalen Filmkünstlerinnen ihrer Generation. Ihre Filme, Fotografien, Objekte, Neonarbeiten und Performances verknüpfen Vergangenheit und Gegenwart, um daraus eine spekulative Zukunft zu entwickeln. Die Künstlerin bezeichnet ihre Arbeitsmethode als „Pre-Enactment“ – also nicht als Wiederaufführung von Gewesenem, sondern als Vorwegnahme des Kommenden auf der Basis des Vergangenen. Was wäre, wenn? Bartana: „Pre-Enactment mischt Fakten und Fiktion. Es ist ein Gedankenexperiment, das die historische Erzählung in Frage stellt, eine alternative Gegenwart und kontrafaktische Geschichten schafft.“
Seit Anfang der 2000er Jahre untersucht Yael Bartana auf diese Weise Themen wie nationale Identität und religiöse Tradition, kollektive Traumata und Sehnsucht nach Erlösung, patriarchale Machtstrukturen und Heilsversprechen. Letztendlich geht es in ihrem Werk immer um die Frage, wie wir angesichts der Last einer uns unterschiedlich prägenden, gemeinsamen Vergangenheit in der Zukunft sinnvoll miteinander leben wollen und können.
Utopia Now!
Utopia Now! beinhaltet u.a. die Welturaufführung von Yael Bartanas neuestem Film und eine für Bremen entwickelte Neonarbeit. Die Präsentation ist die erste große Einzelausstellung der Künstlerin nach ihrem Beitrag für den Deutschen Pavillon auf der Biennale Venedig und wird kuratiert von Janneke de Vries.
Jenseits der Mitte. Skizzen am Rande
Die Ausstellung geht erstmals dem faszinierenden Phänomen der Randeinfälle (franz. remarques) in der Druckgraphik vom Barock bis zur klassischen Moderne nach. Die Kombination aus einem Stift und einem weißen, noch unbezeichneten Blatt übt seit jeher eine große Faszination auf den Menschen aus. So geht es auch Künstler*innen, die mit den jungfräulichen Rändern ihrer Druckplatten konfrontiert werden. Gerade die sonst blanken Ränder bieten Kunstschaffenden einen Raum der Möglichkeiten zur Entfaltung und Erprobung spontaner Ideen. An diesen sonst unscheinbaren Rändern bieten sich künstlerische Spielräume für ein breites Spektrum kurioser Motive: Hier jagt eine Herde Wildpferde über das Papier, dort verfolgt ein Obelisk einen Pierrot-Clown oder begleitet eine Katze eine Schlittenfahrt.
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