Die GAK freut sich, die Doppelausstellung Erosion Arranged: we sink, I stretch, you flow von Monique S. Desto und Klaartje van Essen anzukündigen. Beide Künstler*innen verfolgen in ihren Arbeiten eine erweiterte Bildpraxis, die sich durch eine Sensibilität für die Beziehung zwischen Malerei, Skulptur, Erinnerung und Raum auszeichnet. Ihre Arbeiten bewegen sich vom Zwei- ins Dreidimensionale und wieder zurück, strecken, spannen, stützen und zerreiben sich.
Aushandlungen zwischen Fragilität, Verschleiß und räumlichen Arrangement sind auch in den Austausch eingeflossen, in dem Monique S. Desto und Klaartje van Essen, die sich zuvor nicht kannten, den gemeinsamen Rahmen für diese Ausstellung gesteckt haben. Eines der Bilder, das sie dabei aufgerufen haben, bezieht sich auf den Fluss Weser, der kontinuierlich an den Räumlichkeiten der GAK vorbei strömt. Wasser passt sich an, ist aber gleichzeitig auch formende Kraft. Ein anderes, damit in Beziehung stehendes Bild verweist auf die kommunikativen und räumlichen Strukturen von Mangrovenwäldern, die im Wasser wurzeln und so zwischen Land und Wasser vermitteln; die verankert sind und ausgewaschen zugleich; die sich in ihrer Anordnung miteinander arrangieren, eng beieinanderstehen und sich doch Raum geben, um zu wachsen. Die Bäume vermitteln auf spezifische Weise in einem ungeschriebenen Vertrag wechselseitiger Abhängigkeiten zwischen Nähe und Distanz, der sich auch auf die GAK, Bremen und die Zusammenarbeit der Künstler*innen übertragen lässt. Sich daran anschließende Gedanken zum Vertikalen und Horizontalen, zur Beziehung zwischen Landschaft und Bewegung, zu Schwerkraft und Zeit strukturieren die Art und Weise wie Monique S. Desto und Klaartje van Essen sich zwischen Boden und Decke, Geschichte und Gegenwart in den Raum einschreiben und die Bedingungen des Gebäudes, seiner Umgebung und ihr prozesshaftes Bewohnen eines geteilten physischen Raums zwischen Material und Bild modulieren.
Wenn Monique S. Desto mit pigmentiertem Latex in einer Form oder auf einem nicht vollständig glatten Material malt, passt sich der Latex an und es entsteht ein Relief. Im Zusammenspiel von Relief und gemaltem Bildmotiv entstehen sich ergänzende oder widersprechende Bilder, die auf systemische Strukturen und (koloniale) Geschichte verweisen. Im Ausstellungskontext greift Desto regelmäßig die Flexibilität des Latex auf und dehnt oder wickelt es um Säulen, Heizungen oder andere vorhandene Apparaturen der jeweiligen Ausstellungsorte. Die Spannung, die daraus entsteht, bewegt sich zwischen Unterstützung und Verzerrung von sowohl Bild als auch Raum. Trotz seiner Elastizität nähert sich der Latex mit jeder Ausstellung und der damit einhergehenden Lichteinstrahlung seiner letztendlichen Auflösung an.
Klaartje van Essen arbeitet häufig mit Wachs oder Gips. Das Material gießt sie z.B. in vorgefundene, als Form fungierende Gegenstände, die sie sich auf der Straße oder in ihrem Studio angeeignet hat. Für ihre neueren Arbeiten trägt van Essen Gips auf große Flächen Leinwand auf und arrangiert sie zu lebensgroßen Architekturen im Raum. Manchmal lässt sie den Gips so fein aushärten, dass die Oberfläche an eine Fliese erinnert, an anderen Stellen bricht der Gips durch schnelle Arbeitsprozesse auf, wird porös oder wieder entfernt, wodurch malerische Gesten entstehen. Van Essens Arbeiten neigen dazu, zugleich Bild und Raum formende, sich ihrer Umgebung hochgradig bewusste Elemente zu sein, die auf ihre (ökologischen) Abhängigkeiten und tragenden Strukturen verweisen.
Die beiden Künstler*innen teilen ein Interesse an Spuren und Abformungen, Abrieb und Auflösung. Das Latex, mit dem Desto malt, nimmt Spuren seines Trägermaterials dreidimensional auf, löst sich selbst aber sukzessive auf, wenn es ausgestellt wird. Nicht erst dann arbeitet Desto mit digitalen Abbildern oder Animationen, als welche die Arbeiten schlussendlich irgendwann nur noch existieren werden. Van Essen wiederum stellt Zeichenutensilien durch Fermentation her, die zugleich handliche, sich durch die Nutzung abreibende Skulpturen sind, und recycelt in ihrer skulpturalen Praxis fortwährend Materialien, die sie oder andere schon benutzt haben. Auf fragile Weise bewahrt in Destos und van Essens Arbeiten jeweils eine andere Form einen Teil dessen, was vielleicht bereits verschwunden ist und das Begehren nach Präsenz ad absurdum führt, weil eben diese Präsenz nur als neue Form ihrer selbst existiert. Fragen nach Wert und Wertigkeiten verweben Monique S. Desto und Klaartje van Essen so mit Fragen nach Verarbeitung und Aufzehrung.
Die beiden Künstler*innen nähern sich einander in ihrer Doppelausstellung über einen materiellen und ästhetisch-praktischen Austausch an. Ihre Arbeiten, die einander dabei durchaus auch berühren dürfen, beziehen sich auf eine Vielzahl von Beziehungen und bringen diese gleichzeitig konkret in den Raum.
Einen experimentellen Raum für die Diskussion und Präsentation von zeitgenössischer Kunst anzubieten gehört zum Grundverständnis der GAK. Indem wir den Ausstellungsraum als Dialograum für einen Material basierten Diskurs zwischen Menschen und künstlerischen Arbeitsweisen öffnen, die sich zuvor nicht kannten, hoffen wir zu einer lebendigen Auseinandersetzung zwischen Künstler*innen und Kunstpraxen beizutragen, die an der einen oder anderen Stelle durchaus nicht einer Meinung sein mögen. Mehrstimmige Verbindungen und Austausch zwischen Künstler*innen und Publikum in solchen intimen Situationen wie einer Doppelausstellung (von nicht miteinander Befreundeten) zu pflegen, betrachten wir dabei als produktive Herausforderung.
Künstler*innen
Monique S. Desto (*1989, lebt in Hamburg) hat an der AdBK Nürnberg studiert und wurde 2022 mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet. Destos Arbeiten wurden zuletzt gezeigt in Einzel- und Gruppenausstellungen, u.a. im Westwerk Hamburg (2024), der Galerie Wassermühle Trittau (2024), im Kunstverein Weiden (2024), in der Lothringer 13 Halle, München (2023), im Atelier- und Galeriehaus Defet, Nürnberg (2022) sowie im Oberpfälzer Künstlerhaus, Schwandorf (2022). Desto ist Mitglied der beiden Künstler*innenkollektive „Galerie Duglas“ und „phantom step“.
Klaartje van Essen (*1998, lebt in Amsterdam) studierte bei de Ateliers, Amsterdam und an der HKU Utrecht. Van Essens Arbeiten wurden zuletzt gezeigt in Ausstellungen u.a. bei de Omstand, Arnhem (2024), Museum Cobra, Amstelveen (2024), de Ateliers, Amsterdam (2024), Woonhuis, Amsterdam (2023), EXBOOT, Utrecht (2023), Personeelskamer, Amsterdam (2023) und EspaceAygo, Brüssel (2022).